Kultur im Pfarrhof Gempfing
Kleider machen Leute
Ausstellungsdauer: 8. Juni - 1. Juli 2007
Nachbericht über die Ausstellungseröffnung am 8. Juni von Anton Löffelmeier
Waschmaschinen gehören heute selbstverständlich zur Grundausstattung eines Haushalts. Wer kann sich bei deren Anblick vorstellen, dass die ersten vor etwas mehr als hundert Jahren entwickelten mechanischen Waschbottiche das Butterfass zum Vorbild hatten. Es sollten aber noch viele Jahrzehnte und Entwicklungsschritte vergehen, bis der Vollautomat den Waschtag auf ein paar Handgriffe reduziert hatte. Allerdings mussten sich die Frauen diese Erleichterung erst mühsam erkämpfen: Ende der 1950er Jahre stand zwar die Waschmaschine – nach dem Kühlschrank - bei beiden Geschlechtern an zweiter Stelle der Wunschliste, aber dennoch kauften die Männer lieber einen Fernsehapparat. Und das, obwohl die Deutschen im Jahr 1951 auf den neunten Rang der internationalen Sauberkeitsliste zurückgefallen waren und der Spiegel in einer aufsehenerregenden Reportage festgestellt hatte, dass nur 10 % der deutschen Männer täglich ihre Unterwäsche wechselten. Mit interessanten Details zur Technik- und Kulturgeschichte des Waschens und der Sauberkeit wartete Dr. Ruth Kilian, Leiterin des Rieser Bauernmuseums Maihingen, in ihrem Festvortrag zur Eröffnung der Ausstellung "Kleider machen Leute" im Gempfinger Pfarrhof auf.
In Anwesenheit der beiden Bürgermeister Gerhard Martin aus Rain am Lech und Albin Kaufmann aus Burgheim konnte Kirchenpfleger Bernhard Schmid die diesjährige Sommerausstellung eröffnen. Deren Zustandekommen wurde wesentlich gefördert durch das Mitwirken zweier Kultureinrichtungen des Bezirks Schwaben, dem Rieser Bauernhausmuseum Maihingen und der Trachtenkulturberatung des Bezirks Schwaben in Krumbach. Das Heimatmuseum der Stadt Rain stellte eine Vielzahl von Exponaten zur Verfügung. Die von Erich und Angela Hofgärtner und von Anton Löffelmeier konzipierte Schau bezieht erstmals auch alle Wirtschaftsgebäude des Pfarrhofes mit ein. So widmet sich ein umfangreicher Ausstellungsteil im ehemaligen Waschhaus und im Stadel dem Thema "Waschen und Wäschepflege". Die Schauräume im ersten Stock des Pfarrhofes befassen sich mit der ländlichen Tracht im Rainer Winkel. Anhand von Fotos und zahlreichen Originaltrachtengewändern aus Privatbesitz wird der im 19. und 20. Jahrhundert vollzogene Wandel der Festtagstrachten im Rainer Winkel aufgezeigt. Ein eigener Raum ist den Trachten von Ottilie Appel aus Neukirchen bei Thierhaupten (geb. 1920) gewidmet, die seit ihrem sechsten Lebensjahr das boarische Gwand trägt. Frau Appel gehörte zu den Ehrengästen des Abends, der von der Gempfinger Hofmarksmusik und einer Gruppe Kundinger Kinder unter Leitung von Maria Breimair musikalisch begleitet wurde. Im lauen Sommerabend saßen die Gäste noch lange im zum Biergarten umfunktionierten Hof des Pfarrhauses zusammen. Im Erdgeschoss des Pfarrhofes luden derweil die spannungsgeladenen Bilder der Manchinger Malerin Claudia Klimek zum Thema Frauen und Mode zum Verweilen ein. – Besonders geehrt fühlt man sich in Gempfing, dass ein Team des Bayerischen Fernsehens eine Kurzreportage von der Ausstellung für die Abendschau gedreht hat.
Vorankündigung der Ausstellung von Erich Hofgärtner Kleider machen Leute – Ausstellung und Veranstaltungen im Gempfinger Pfarrhof Trachten prägen eine Kulturlandschaft und stellen einen bedeutenden Beitrag zur regionalen Identität dar. So wie Christine Bleimair (1903-1990), Schoderbäuerin aus Gempfing, kleideten sich noch vor wenigen Jahren viele alte Bäuerinnen in den Dörfern des Unteren Lechrains. Die Jacke (Spenzer) ist hochgeschlossen, an den Schultern wurde der Stoff in flache Falten gelegt. Stehkragen und Ärmel schließen mit einer weißen Spitze ab. Der Halsausschnitt ist durch eine schwarze Borte mit angenähten Zierknöpfen angedeutet und von einem aufwändig gesmokten Einsatz verdeckt. Als Schmuck trägt die Bäuerin eine Kette mit einem Kreuzanhänger und eine Brosche. Als Stoff für Jacke und Rock wurde ein schwarzer, wertvoller Moiré mit einem eingewebten Rosenmuster gewählt. Zu dieser Tracht gehörte eine braune Seidenschürze. Die besondere Stoffwahl zeigt, dass es sich hier um ein Kleid höchster Wertschätzung handelte. Es wurde im Sprachgebrauch auch als das Schea (d.h. das schönste Gewand) bezeichnet und blieb den kirchlichen Hochfesten vorbehalten. Für die weiteren Anlässe gab es noch zwei Feiertagstrachten (Anderschea, Drittschea) und Sonntagsgewänder, die sich voneinander weniger im Schnitt, als vielmehr in der Qualität der Stoffe unterschieden. So wie die Schoderin kleideten sich einmal alle Bäuerinnen des Rainer Umlandes, wobei es zahlreiche Varianten im Schnitt gab. Eine Generation früher sah die ländliche Frauentracht noch ganz anders aus. Der Vergleich mit alten Fotos macht dies deutlich: Auf einer Aufnahme aus der Zeit um 1905 trägt Frau Maria Anna Hammerle (1852-1925) aus Unterpeiching die für ihre Zeit typische Tracht: Die Ärmel des Spenzers waren auffällig mit Füllmaterial gebauscht, man bezeichnete sie als gschopft. Der Verschluss der Jacke war durch eine Knopfleiste verziert. Zu dieser Kleidung gehörte immer ein vorne verschlungenes Schultertuch, das Hoistiachla.
Der neue Schnitt kam um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert allmählich in Verbreitung und wurde verständlicherweise zuerst von den jüngeren Frauen übernommen. Eine verheiratete Bäuerin hielt an den Kleidern, die sie als Aussteuer bekommen hatte, ein Leben lang fest. Neue Gewänder wären viel zu teuer gewesen. Deshalb kann man auf alten Familienfotos beide Trachtenformen nebeneinander erkennen. Auch im Sprachgebrauch wurden die Kleidungsschnitte genau unterschieden. Die ältere Form wurde als boarisches Gwand bezeichnet. Sie betonte die Breite und erinnerte mit den Keulenärmeln noch stark an die Mode des Biedermeier. Im Gegensatz dazu ließ der neue Schnitt die Frauen zierlicher und schlanker erscheinen. Die Kleidung entspricht damit ganz dem Formverständnis der Gründerzeit, die eine lange und gestreckte Figur hervorhob. Dementsprechend wurde die neue Tracht als eng bezeichnet. Für diesen Schnitt war auch die Bezeichnung pfaizlerisch üblich. Diese Benennung weist in die Neuburger Gegend, von wo sich dieser neue Kleidungsschnitt ausgebreitet haben dürfte. Die kurze Darstellung zeigt, dass die Volkstracht nie etwas Starres, sondern in ihren Formen und Farben ebenso dem allgemeinen Wandel der Kostümformen unterworfen war wie die Mode. Die Einflüsse aus den städtischen Zentren sind jedoch erst nach einer gewissen Verzögerung aufgenommen worden. Niemals hat man die Vorbilder einfach kopiert sondern immer nur einzelne Bestandteile umgewandelt und angepasst. Der Wechsel zur modischen Konfektionsware begann im Rainer Winkel im Grunde nach dem Zweiten Weltkrieg. Da aber viele Trachtenträgerinnen an ihren Gewändern zeitlebens festhielten, ist diese Kleidung erst in den 1980er Jahren endgültig aus den Dörfern des Unteren Lechrains verschwunden. Unter dem Titel "Kleider machen Leute" ist in den folgenden Wochen im Gempfinger Pfarrhof eine Ausstellung zu sehen, die sich der kleidungsgeschichtlichen Vergangenheit auf dem Lande widmet. Gezeigt werden alte Trachten und Fotos. Da zur Hofstelle des Pfarranwesens ein noch ursprünglich eingerichtetes Waschhaus gehört, bot es sich an, den Bereich "Waschen und Wäschepflege" in die Textilschau zu integrieren. Viele der ausgestellten Objekte stammen von einheimischen Familien, die in ihren Kleiderschränken stöberten und dabei allerlei Bemerkenswertes auskramten. Am Gempfinger Projekt beteiligen sich auch die Trachtenberatungsstelle des Bezirks Schwaben, das Rieser Bauernmuseum in Maihingen sowie das Heimatmuseum in Rain/Lech, welche viele Objekte aus ihren Depots zur Verfügung stellten. So können die Besucher zurückblicken in die Zeit vor der Waschmaschine, als ein Waschtag noch von schweren körperlichen Anstrengungen geprägt war.
Die Ausstellung wird am Freitag, den 08. Juni, um 19 Uhr im Gempfinger Pfarrhof eröffnet und musikalisch von Kindern aus Kunding gestaltet, die einige Spottgesänge auf die Schneiderzunft hören lassen werden. Den Festvortrag zum Thema "Vom Bottich zum Vollautomat – Wäschepflege und Hygiene" hält Frau Dr. Ruth Kilian vom Rieser Bauernmuseum. Die Ausstellung ist an den drei darauffolgenden Sonntagen jeweils von 12-18 Uhr geöffnet und wird von einem lebendigen Programm begleitet: Am Donnerstag, den 14. Juni, 20 Uhr, liest der Münchener Literaturwissenschaftler Dr. Dirk Heißerer aus Gottfried Kellers Roman "Kleider machen Leute". Dass literarische Veranstaltungen keineswegs spröde sondern durchaus unterhaltsam sein können, wird jeder bestätigen, der schon einmal eine Lesung des Referenten besucht hat. Musikalisch gestaltet wird der Abend von der Gempfinger Hofmarkmusik. Den Höhepunkt des Projektes "Kleider machen Leute" stellt ein Aktionstag dar, der am Sonntag, den 17. Juni, im Pfarrhof durchgeführt wird (Beginn 11 Uhr). Handwerker werden Techniken, wie z.B. Spinnen und Seifen sieden vorführen. Die Besucher können außerdem einer Trachten- und einer Miederschneiderin bei ihren Arbeiten über die Schulter schauen. Auch die Kinder sind an diesem Tag eingeladen. Unter Anleitung von Schülern der Gebrüder-Lachner-Hauptschule Rain können sie T-Shirts bedrucken und Spielgegenstände filzen. Der kleidungsgeschichtliche Abriss hat gezeigt, wie eng Tracht und Mode miteinander korrespondieren. Deswegen freut man sich in Gempfing, dass die Mode- und Textildesignerin Marly Jedelhauser aus München Modezeichnungen ausstellen wird. Außerdem sind in der Gaststube des Gempfinger Pfarrhofes Bilder der Manchinger Malerin Claudia Klimek zu sehen, die sich in ihrem künstlerischen Schaffen intensiv mit dem spannungsreichen Zusammenhang zwischen äußerem Auftreten und innerem Seelenzustand beschäftigt. Für die Gempfinger Ausstellung entstanden Bilder, die Frauen in prachtvoll-dramatischen Haute-Couture-Kleidern zeigen. |
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